Teilnehmer aus der Altersvorsorgebranche sind besorgt über die Digitalisierung und damit einhergehende Standardisierung von Gesprächen hinsichtlich von Anlagemöglichkeiten. Start-ups aus dem Finanzsektor, die sich anfänglich nur auf den Banken- und Finanzmarkt konzentriert hatten, haben mittlerweile den Versicherungsmarkt für sich entdeckt. Sie entwickeln Apps, von denen sich Versicherungssuchende online leiten lassen können – alles ganz ohne Versicherungsmakler. So werden per Klick Analysen der finanziellen Situation des Versicherungsnehmers erstellt, es werden Verträge geschlossen und ein Algorithmus im Hintergrund errechnet die Kreditwürdigkeit des Kunden. Einen persönlichen Kontakt zum Versicherungsmakler gibt es nicht mehr und damit auch keine individuelle Zeit zur Analyse. Die persönliche Situation des Einzelnen wird hierbei möglicherweise nicht mehr angemessen berücksichtigt. Hält die Entwicklung – hin zur digitalen Empfehlung und weg von der persönlichen Beratung – in der Versicherungsbranche an, dann sieht sich ein gesamter Branchenzweig vor ganz neuen Herausforderungen.
Informationsqualität: Digital vs. persönlicher Besuch
Sven Thieme aus Dresden, Geschäftsführer der Competent Investment glaubt, die Qualität leidet im digitalen Makler-Geschäft: „Bei der Vielzahl der unterschiedlichen Versicherungsgesellschaften und deren Produkten macht gerade die Qualität des Fachwissens den Unterschied. Wenn die persönliche Gesprächsbasis wegfällt, sinkt die Qualität des Informationsgesprächs, weil nicht mehr angemessen auf die individuellen Bedürfnisse und Möglichkeiten der Kunden eingegangen wird. Sobald der Finanzfachmann „aus Fleisch und Blut“ durch eine App ersetzt würde, werden Menschen schlechter aufgeklärt. Eine App ist zwar modern, kann aber Kompetenz und Erfahrung nicht ersetzen“, sagt der Competent Investment-Geschäftsführer Sven Thieme.
Weiterhin wird vielerorts eine fehlende Transparenz in Verträgen von Versicherungs-Fin-Techs öffentlich kritisiert, in deren Paragraphen sich Ausschließlichkeits-Regelungen und Löschungsvereinbarungen von anderen Versicherungen verstecken können. Das hat zur Folge, dass eine hohe Stornoquote bei Fin-Tech-Verträgen auftritt. Einige Versicherer wünschen mit Fin-Techs keine Zusammenarbeit, aber finden dennoch in Versicherungs-Apps Erwähnung.
Berufsstand in Gefahr?
Mit hohen Downloadzahlen, teils mit mehr als über 4 Millionen App-Nutzern, sorgten Fin-Techs kürzlich für Aufsehen. Obwohl die tatsächliche Kundenanzahl der App-Makler sehr weit darunter liegt, sind scheinbar immer mehr Menschen bereit, auf individuelle Beratung bei Versicherungsfragen zu verzichten. Ein bedrohlicher Trend für die mittelfristige Zukunft der Maklerbranche. Dennoch glaubt Sven Thieme, dass die Vorteile einer individuellen Analyse mit zwischenmenschlichem Kontakt eindeutig sind: „Vor dem Hintergrund der aufwändigen Qualifizierungsmaßnahmen, die der Gesetzgeber Finanz- und Versicherungsvermittlern zurecht vorschreibt, sowie den hohen Anforderungen an die Dokumentationspflicht, stellt sich mir die Frage, wie und in welcher Form dies von Fin-Techs erfüllt werden kann“. Weiterhin sagt er: „Unter Berücksichtigung einer für Verbraucher sicheren Beratung soll gewährleistet sein, dass der Kunde vor einer Antragstellung alle Informationen und Hinweise erläutert bekommt, diese einsehen kann, ausgehändigt bekommt und insbesondere verstanden hat. Ein Verzicht auf individuelle Informationen führt in der Praxis zu Missverständnissen und nicht abgesicherte Risiken“, betont Sven Thieme.